Thies Schwarz erzählt in Folge 4 unserer Interview-Reihe „Kreative Fragen“ von Freiheiten und Beschränkungen, typischen und abgefahrenen Jobs sowie von der Erkenntnis, dass selbst im Traumberuf Illustrator Sehnsüchte bleiben.
Thies, Du bist Zeichner und Illustrator. Wie bist Du in diesen Beruf gekommen?
Thies Schwarz: Schon immer habe ich gern gezeichnet, eigene Comics, in der Schülerzeitung oder für Freunde. Wenn es irgendwo Bedarf für Einladungskarten, Plakate oder Lehrerkarikaturen gab, wurde ich gerufen. Das hat sich dann verselbstständigt.
Wie sah Deine Ausbildung aus?
Schwarz: Studium der Visuellen Kommunikation in Hannover. Da kamen auch schon die ersten Jobs für Kinderbücher. Ich habe dann auch ein Bilderbuch zum Diplom-Thema gemacht.
Nach dem Studium habe ich vier Jahre lang bei Ambient Entertainment im Art Department gearbeitet. Wir haben Deutschlands ersten 3D-animierten Spielfilm in die Kinos gebracht. Ich habe als Art Director die ganze Zeit mit Bleistift und Papier Landschaften, Häuser, Figuren usw. entworfen.
Das war eigentlich noch lehrreicher als die Hochschule.
Was sind typische Jobs?
Schwarz: Das Schöne bei meinem Job ist, dass es so unterschiedliche Wünsche gibt, dass ich eigentlich nicht von einem „typischen“ Job reden kann. Allerdings werde ich ja immer für meinen Stil gebucht. Über die Jahre sind viele Projekte mit Kinder-/Jugendthematik entstanden, dadurch wird man dann automatisch in so eine Schublade gesteckt, obwohl man natürlich auch anderes kann. Ich fühle mich allerdings auch ganz wohl in dieser Schublade, weil ich selbst vier Kinder habe …
Wie viele Auftraggeber hast Du circa?
Schwarz: Es gibt vielleicht zehn, die immer wieder auf mich zu kommen. Ich werde auch über eine Repräsentanz (illustratoren.de) vermittelt, da kommen immer wieder neue Kunden oder Agenturen auf mich zu.
Wie geht man methodisch ran, wenn ein Charakter entwickelt werden soll?
Schwarz: Es ist sicher ein Unterschied, ob du einen Sympathieträger für eine Kampagne entwerfen sollst oder eine Figur etwa für eine Spiele-App oder ein Kinderbuch.
Das Schöne ist ja, das man am Anfang aus dem Vollen schöpfen kann. Ob weiblich, männlich, Haifisch, Häschen, Superheldin oder Regenwurm. Alles ist ja erstmal möglich.
Wie bringt man diesen Charakter dann ins Rollen bzw. wie sehr bist Du ins Storytelling einbezogen?
Schwarz: Dass um die Figur eine richtige Geschichte entsteht, ist ja im werblichen Bereich eher die Ausnahme, da wart ihr mit den RMV/MTV-Comics schon etwas Besonderes.
Ich mag es, wenn man mit den bekannten Rollenklischees bricht und die Figuren Ecken und Kanten kriegen. Ich bin gern an der Geschichte beteiligt – beim Erarbeiten der Charaktere bekommen sie für mich schon ein Eigenleben.
Was ist ein typisches Vorurteil?
Schwarz: Wir sitzen im stillen Kämmerlein, sind irgendwie verschroben und kommen nicht an die frische Luft. Da ist schon was dran …
Was kannst Du nicht bzw. woran bist Du mal grandios gescheitert?
Schwarz: Portraits von meiner Familie oder Freunden gehen gar nicht. Höchstens mit Knollennasen und Comicaugen.
Ein fahrradfahrendes Pferd von schräg oben. Das ist die Hölle.
Was kann Illustration, was andere Kunstformen nicht können?
Schwarz: Am Anfang steht der Bleistift – und ein leeres Blatt Papier. Und dann ist alles möglich! Planeten knallen aufeinander, Schweine können fliegen, die Zahnfee verliebt sich in einen Holzfäller. Geht alles – mit einfachen Strichen.
Bringt die Tatsache, dass Kommunikation zunehmend digital stattfindet, mehr oder weniger Jobs?
Schwarz: Einige fallen weg (Illus für Print-Kampagnen werden seltener), dafür kommen neue hinzu. Kinder-Apps mache ich z.B. erst seit ein paar Jahren.
Es gibt aber immer noch ein großes Feld an gedruckten Illus. Von T-Shirt-Motiven, Verpackungsillustrationen, Museumsgrafiken, Kinderbüchern oder Adventskalendern und vieles mehr.
Schwarz: Nein, gar nicht! Wie oben schon bemerkt, war es für mich ganz neu, dass wir das mit einer ziemlich freien Geschichte umgesetzt haben. Ich habe auch gemerkt, wie viel Spaß es macht, mit euch bei der Geschichtenentwicklung die Bälle hin und her zu spielen, damit es passt!
Zweite Frage dazu: Zufrieden mit dem Ergebnis?
Schwarz: Ja, sehr.
Was sind deine Stärken als Zeichner?
Schwarz: Vielleicht, dass ich das Gefühl habe, es gibt immer eine Lösung. Mein Stil ist relativ klar, da fühle ich mich sicher. Ich habe da auch schnell ein Bild vor Augen, wie eine Sache aussehen soll.
Was die Schwächen?
Schwarz: Manchmal fühle ich mich etwas eingeschränkt in meinen gestalterischen Möglichkeiten. Ich würde gern wieder etwas mehr zurück zu „kleckern, kleben, Ateliergeruch“. Aber das kann ja auch erstmal Hobby werden.
Welches Projekt würdest Du gern noch machen?
Schwarz: Für Themen wie Klimaschutz, „Kinder stark machen“, gegen Rassismus bin ich immer zu haben!
Das Thema Animation lässt mich nicht los. Meine eigenen Charaktere im Film laufen zu sehen, wäre großartig!
Was war das Ungewöhnlichste, was Du machen durftest?
Schwarz: Meine größte Illustration war der „Weihnachtsflieger“ für AirBerlin. Eine Illu über die komplette Seitenfläche einer Boeing. Allein meine Signatur war da schon fast zwei Meter lang … Meine kleinste waren Sternzeichen für eine Ringgravur.