Fachthemen

Foto von Simone Fass, Grafikdesignerin und eine Grafik, die für das zweite Interview mit Simone Fass mit Hauptsache Kommunikation steht.

Die universellste visuelle Sprache auf der ganzen Welt …

| 5 min.

… ist für die Grafikdesignerin Simone Fass die menschliche Mimik. Sie ist überhaupt ein sehr visueller Mensch und nimmt auch in ihrer Umwelt für gewöhnlich erst die Bildsprache wahr.

Im zweiten Teil unseres HK-Interviews erzählt sie uns noch mehr Faszinierendes aus der Welt der visuellen Übersetzung.

Was kann Bildsprache, was gesprochene Sprache nicht kann?

Simone Fass: Bilder können komplexe Sachverhalte einfach und verständlich darstellen. Die chronologische Reihenfolge von Texten und gesprochenen Worten reicht zum Verständnis von komplexen Informationen häufig nicht aus, um komplexe Strukturen zu begreifen.

Bilder geben eine Art Vogelperspektive über Zusammenhänge und ermöglichen es so dem/der Betrachter/in, neue Perspektiven einzunehmen und so Strukturen und Muster besser zu erkennen und darauf Einfluss zu nehmen. Es geht also viel darum, eigenständiges Denken und Handeln zu fördern.

Die meisten Menschen sind visuelle Lerntypen. Bilder sprechen viel leichter die Emotionen an, weil sie unmittelbarer vom Gehirn aufgenommen, vom Gehirn wahrgenommen werden als Worte. Man könnte auch sagen, dass Bilder universell verständlicher sind als Worte.

Können Sie sich an Beispiele erinnern, wo Sie mit der visuellen Übersetzung gescheitert sind? Beziehungsweise – welche Art von Transfer ist besonders schwierig?

Ja, klar bin ich schon gescheitert. Aus verschiedenen Gründen.

Wenn der formale Rahmen nicht passt, dann kommt auch keine visuelle Übersetzung zustande. Das Wichtigste für eine gelungene visuelle Übersetzung ist für mich genug Zeit und eine gut funktionierende Kommunikation zwischen mir und dem/r Auftraggeber/in.

Wenn eine Anfrage zu kurzfristig kommt, ist es mit der Planung schwierig. Ich brauche eine gewisse Zeit, um mich in ein Thema einzuarbeiten. Da gab es zum Beispiel schon Live-Visualisierungen, für die ich mich schlicht nicht vorbereiten konnte, weil vom Kunden keine Zuarbeit gekommen war und zusätzlich für die Live-Visualisierung zu wenig Zeit zur Verfügung stand.

Außerdem ist mir die Rückmeldung der Kundin bzw. des Kunden sehr wichtig. Vor allem in der Anfangsphase, in der visuelle Inhalte und Aussagen festgelegt werden, bin ich abhängig von dieser Rückmeldung, um weiter arbeiten zu können.

Ich sehe mich NICHT als freie Künstlerin, die ihre eigenen Ideen umsetzt. Sondern gemeinsam mit den Auftraggeber:innen suche ich nach Lösungen, die nutzungsorientiert sind – und die Auftraggeber:innen kennen ihre Kunden bzw. Kundinnen am besten.

Das Wichtigste ist dabei: Die Lösung muss vor allem für die Auftraggeber:innen und die Endnutzer:innen funktionieren. Am Ende des Jahres, wenn noch letzte Fördergelder aufgebraucht werden sollen, kommen am meisten kurzfristige Anfragen. Da wünsche ich mir mehr Planung von Seiten der Auftraggebenden.

Ich merke auch, dass ich am effektivsten arbeite, je näher ich den Endnutzer:innen bin. So kann ich den Perspektivwechsel am leichtesten vollführen, mich am besten in ihre Bedürfnisse einfühlen und die visuelle Übersetzung dahingehend gestalten.

Deswegen gestalte ich meine Prozesse am liebsten partizipativ. Ich führe also von Anfang an Feedback-Schleifen und auch aktive Teilnahme von potentiellen Endnutzer:innen für meine Entwürfe ein.

Wie geht es Ihnen selbst: Nehmen Sie in der Öffentlichkeit meistens eher erst Bildsprache wahr?

Ja! Ich bin ein sehr visueller Mensch. Ich nehme alle visuellen Reize, aber auch olfaktorische und auditive sehr intensiv wahr.

Inwiefern sind visuelle Marken/Zeichen universell? Oder wirken diese auf den einen Kulturkreis so und auf den anderen different?

Menschliche Mimik ist wohl die universellste visuelle Sprache, die es gibt. Gesten, Symbole und Farben können auch in gleichen Zielgruppen je nach individuellem Hintergrund unterschiedlich interpretiert werden. Das muss man wissen, wenn man Bilder erstellt. Es ist deswegen wichtig, dass man seine Zielgruppe und deren visuelle Sprachen gut kennt.

Welche Fehler nehmen Sie bei der Übersetzung von komplexen Zusammenhängen in Zeichen und Bilder wahr (im Sinne von Schildern oder Hinweisen)?

Ich habe vor kurzem Toiletten-Piktogramme gesehen, die ich nicht nur verwirrend, sondern auch diskriminierend fand. Ich musste zuerst eine Zeit lang davorstehen, bis ich verstand, in welche Tür ich gehen wollte. Da wären neutrale und eindeutigere Piktogramme besser gewesen, die man ohne Überlegen beim Vorbeigehen sofort versteht.

Im Allgemeinen finde ich, dass zu viele Stereotypen in den Medien und auf Werbe- und Bildungsmaterial gezeigt werden. Da sollte es mehr Vielfalt geben. Auch in Stockfotos kann man für mehr Vielfalt sorgen.

Bei der Live-Visualisierung bekomme ich mit, dass das Potential, welches hier steckt, ganz häufig nicht ausgeschöpft wird. Live-Visualisierung ist mehr als Unterhaltung oder ein Mittel zum Wow-Effekt. Live-Visualisierung ist auch ein effektives Tool zur Verbesserung von Prozessen, beispielsweise in Workshops. Dies wird leider von vielen noch nicht erkannt. Was man dafür ändern sollte? Workshop-Leiter:innen sollten mit mir in den Austausch treten, um ein didaktisch kluges Konzept für die Veranstaltung zu entwerfen. Visuelle Methoden können sich super mit anderen Methoden ergänzen und gegenseitig bereichern.

Was antworten Sie auf die These, dass bei der Vereinfachung von Zusammenhängen die Gefahr der Banalisierung besteht?

Die Formulierung „Vereinfachung von Zusammenhängen“ ist irreführend. Nicht die Zusammenhänge an sich werden vereinfacht, sondern die Kommunikation darüber.
Für mich hat eine vereinfachte Kommunikation viel mit Nutzerfreundlichkeit zu tun. Ich muss wissen, wie ich meine Inhalte am besten verpacke, damit sie bei den Rezipient:innen a) ankommen und b) den vorgesehenen Zweck erfüllen.

Es macht einen Unterschied, ob ich meine Inhalte z. B. einem Laien- oder Fachpublikum anbiete. Davon hängt ab, wie sehr ich in die Tiefe gehe oder auf welcher Ebene ich kommuniziere. Als jemand, die oder der Wissen weitergibt, muss ich mich damit beschäftigen, wie ich meinen Rezipient:innen den leichtesten Zugang schaffe UND sie ermächtige, selbstständig damit umzugehen.

Wie kann das funktionieren?

Indem ich z. B. einen Bezug herstelle zwischen meinen Rezipient:innen und der neuen Information. Man muss sich vorstellen, dass sich das Gegenüber immer fragt: „Was hat das mit mir zu tun?“ Eine vereinfachte Kommunikation stellt leichter den Bezug her zwischen den Rezipient:innen, dem kommunizierten Inhalt und mir als Vortragende.

Es ist ähnlich wie der Diskurs zur Leichten und Einfachen Sprache: Eine vereinfachte Form der deutschen Sprache ist einfach ein Zusatzangebot, das als Türöffner fungiert. Es steht nicht in Konkurrenz zur nicht vereinfachten Sprache, sondern ist als Hilfsmittel zu verstehen, damit mehr Menschen Zugang zu Informationen bekommen.

Wenn Sie sich wünschen könnten, was endlich visualisiert werden müsste, damit ein kollektiver Erkenntnisschub einsetzt, was wäre dies?

Medizinische Informationen sollten nicht nur ansprechend visualisiert, sondern auch in leicht verständliche Sprache übersetzt werden. Mediziner:innen sollten weitergebildet werden, sich leicht auszudrücken. Die Liste ist lang. Es sollten alle (lebens-)wichtigen Themen wie Bildung, Gesetze, Formulare vom Amt und Versicherungen, Nachrichten, Bankangelegenheiten u. v. m. angemessen visualisiert, nutzungsfreundlich gestaltet und in leicht verständliche Sprache übersetzt werden.

Anfang verpasst? Hier können Sie den ersten Teil des Interviews nachlesen!

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