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Foto von Simone Fass, Grafikdesignerin und eine Grafik, die für das erste Interview mit Simone Fass mit Hauptsache Kommunikation steht.

„Bilder helfen, besser zu verstehen!“

| 6 min.

Simone Fass hat einen äußerst interessanten Beruf gefunden. Die Grafikdesignerin aus Leipzig hat sich auf zielgruppengerechtes Design spezialisiert und übersetzt komplexe Zusammenhänge in leicht verständliche Bilder. Ein Interview über Mission, Methoden und Missverständnisse.

Lässt sich die Bedeutung von visueller Übersetzung in wenige Worte fassen?

Simone Fass: Ja! ☺ Ich übersetze komplexe Wortinhalte in leicht verständliche, zielgruppengerechte Bilder.

Wie würden Sie das, was Sie tun, zeichnen?


Welche Zielgruppen haben Sie im Auge, wenn von visueller Übersetzung die Rede ist? Wer braucht visuelle Übersetzung?

Im Prinzip wird visuelle Übersetzung überall da gebraucht, wo ein Transfer von Informationen stattfindet und möglichst viele Leute nachhaltig angesprochen werden sollen. Ganz praktisch denkt man beispielsweise an Bedienungsanleitungen von alltäglichen Gegenständen. Oder wenn es darum geht, Change-Prozesse voranzubringen.

Meine Mission ist es, andere dabei zu unterstützen, die Welt ein bisschen besser zu machen – und dafür eine leichte visuelle Kommunikation zu nutzen. Ich setze mich am liebsten für soziale Gerechtigkeit ein. Mich interessieren vor allem der Bildungs- und Antidiskriminierungsbereich.

Mein reduzierter Stil passt zum Beispiel sehr gut in den Bereich „Einfache und Leichte Sprache“. Diese möchte ich gerne durch ein frisches zielgruppengerechtes Design modernisieren.

Für wen arbeiten Sie?

Circa 30 Prozent der Aufträge sind für die öffentliche Hand, 70 Prozent für die klein- bis mittelständische Privatwirtschaft.

Wie wird frau das? Wie war Ihr Werdegang?

Ich habe Grafikdesign und Illustration an der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig studiert. Sehr schnell stand danach fest, dass ich für keine klassische Werbeagentur arbeiten wollte. Auch die Kinderbuchillustration – ein Weg, den viele meiner Mitstudierenden einschlagen – interessierte mich weniger.

Ich brauche eine große Sinnhaftigkeit in meiner Tätigkeit und habe mich schließlich entschieden, meine gestalterischen Fähigkeiten einzusetzen, um meine Vision einer besseren Welt voranzubringen.

Können Sie Beispiele geben, wie Sie einen komplexen Sachverhalt visuell übersetzt und damit leichter verständlich gemacht haben?

Prozesse und Strukturen sind ein gutes Beispiel dafür, wie Abstraktes durch visuelle Übersetzungen leicht verständlicher werden. Hier ein Beispiel eines Catering-Unternehmens, das mit der Visualisierung sein Geschäftsmodell erklärt.

Ein anderes Beispiel sind meine Gefühlskarten, welche ich für den BELTZ-Verlag gemacht habe. Es ist manchmal schwierig, in einer Gruppe oder mit fremden Menschen über Gefühle zu sprechen. Nicht immer findet man die richtigen Worte. Deswegen entstanden diese Karten. Sie sollen die Verbindung herstellen zwischen nonverbalen Gefühlen und dem Verbalen. Bilder helfen einfach, Gefühle besser zu verstehen und darüber zu sprechen.

Wie/was können gewöhnliche Menschen (im Sinne von: diese Profession nicht beherrschend) für ihre Kommunikation von Ihnen lernen?
 
Das erste, was die meisten Menschen, die nicht regelmäßig visualisieren, überwinden sollten, ist die Angst vor Fehlern. Viele haben große Hemmungen, sich bildlich auszudrücken, weil sie glauben, dass sie nicht gut genug sind.

Dabei spielt das zeichnerische Talent keine Rolle. Es gibt keine Fehler. Es gibt nur verschiedene Stile und Sichtweisen. Es geht beim Visualisieren nicht darum zu zeichnen, sondern Zeichen zu setzen. Einfache Symbole sollten sogar so einfach wie möglich sein, um Botschaften zu übermitteln. Ein großer Teil der Visualisierungsarbeit besteht darin, ein passendes Motiv zu finden und ein möglichst einfaches Motiv dafür zu finden.

Das zweite, was Menschen ohne zeichnerische Ausbildung von mir lernen können, ist die technische Umsetzung. Es reichen tatsächlich nämlich nur ein paar Striche, um Symbole, Gegenstände und Figuren zu zeichnen. Und das kann man üben.

Ich gebe Workshops zum Thema „Leicht visualisieren“. Da erfahren die Teilnehmenden, was für einen Spaß es macht, sich visuell auszuprobieren. Sie bekommen praktische Tipps fürs reduzierte Visualisieren und Mut, sich mit ihrem eigenen Stil auseinanderzusetzen und weiterzuentwickeln.

Welche sind typische „Übersetzungs“-Aufgaben?

Ein typischer Auftrag besteht aus der Bebilderung von Texten in Leichter Sprache, sogenannte „Leichte Bilder“.
Zum Beispiel hab ich die neue Website der Antidiskriminierungsstelle des Bundes in Leichter Sprache bebildert.

Und ich habe die neuartige Broschüre in Leichter Sprache zum Thema Menstruation und Besuch bei der Frauenärztin für profamilia Sachsen illustriert. Typisch dabei ist, dass ich auf eine große Vielfalt bei der Darstellung von Menschen achten muss. Und oft ist auch ein tabuisiertes Thema mit dabei, das durch die Veröffentlichung enttabuisiert werden soll.

Was ist noch typisch?

Typisch für Leichte Bilder ist auch, dass ich die Zielgruppe von Anfang an mit in den Designprozess einbinde durch frühes Einholen von Feedback. Das Feedback kommt zum Beispiel von einer Prüfgruppe bestehend aus Menschen mit Lernschwierigkeiten und aus einer Person mit Seheinschränkung. Sie sind die Expertinnen und Experten für visuelle Klarheit.

Oder ich hole mir Feedback von Menschen aus anderen Zielgruppen. Zum Beispiel gestalte ich gerade eine Ausstellung zum Thema „Willkommenkultur in Leipzig“. Menschen mit Migrationsbiografie erzählen, wie sie das Ankommen in Leipzig erleben. Da interviewe ich Menschen mit Migrationsbiografie.

Die Rückmeldungen helfen mir enorm, mich in eine angemessene visuelle Sprache einzufühlen und nutzungsfreundliches Design daraus zu gestalten.
Über den Nutzen von partizipativen Designprozessen habe ich auch einen Blogbeitrag zur Profamilia-Broschüre und zum Teilhabeplan der Stadt Leipzig geschrieben.

Nennen Sie gern weitere Projekte!

Ein anderer typischer Auftrag ist das Prüfen auf Verständlichkeit und visuelle Klarheit von (Leichten) Bildern. Ich habe eine eigene Prüfgruppe. Wir prüfen neben Bildern für Leichte-Sprache-Texte auch alle anderen visuellen 2D-Visualisierungen.

Ein anderer typischer Auftrag besteht in Life-Visualisierungen für Veranstaltungen. Häufig angefragt sind visuelle Dokumentationen von Workshops. Zum Beispiel visualisiere ich bald die Ergebnisse aus einem Visions-Workshop für Mitarbeitende eines Energieunternehmens. Die visuelle Dokumentation dient dazu, die Ergebnisse fassbarer, realer und somit verbindlicher und nachhaltiger zu machen.

Oder ich unterstütze durch das Live-Visualisieren Arbeits- und Denkprozesse WÄHREND der Veranstaltung. Zum Beispiel habe ich bei einem Schreibworkshop vom Projekt Touchdown 21 die Teilnehmenden dabei unterstützt, ihre Geschichten zu entwickeln.

Was nimmt Simone Fass in der Öffentlichkeit als erstes wahr und was ist für sie die universellste visuelle Sprache? Diese und mehr spannende Fragen gibt’s im zweiten Teil

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